Verträge spielen eine wichtige Rolle beim Umsetzen von IT-Entwicklungsvorhaben – auch zwischen Abteilungen ein und desselben Unternehmens. Entsprechend viel Sorgfalt fließt in die Formulierung des Vertrages. Gern greifen Auftraggeber zum Werkvertrag mit Festpreis, scheint dieser doch optimal zu den Bedürfnissen nach Liefersicherheit und Einhaltung des Budgets zu passen. Doch auch der juristisch noch so perfekte Vertrag hat ein Problem: Die juristisch ausreichende Beschreibung des Liefergegenstandes im Pflichtenheft ist die Achillesferse. Das·Ergebnisorientierte Verarbeiten von Anforderungen (E.VA)·erleichtert das Formulieren belastbarer Pflichtenhefte.
Vertragsarten für IT-Vorhaben
Ein Vertrag ist eine gute Sache, bringt er doch die Willensübereinstimmung der vertragschließenden Parteien zum Ausdruck und definiert deren Rechte und Pflichten. Ein Vertrag kann dabei helfen, das Zusammenwirken der Vertragsparteien im Rahmen eines gemeinsamen Vorhabens auf eine gute, gemeinsame Basis zu stellen und Erfolge zu organisieren – unterstellt, beide Vertragspartner wollen den gemeinsamen Erfolg auch.
Wie sieht das bei Verträgen zu IT-Entwicklungsvorhaben aus? Organisieren diese auch Erfolge? Oder nur gefühlte Erfolge? Oder gar keine?
Für IT-Entwicklungsvorhaben hat man in Deutschland die Wahl zwischen den Vertragsformen Werkvertrag oder Dienstleistungsvertrag. Beim Werkvertrag verpflichtet sich der Auftragnehmer, das im Vertrag spezifizierte Ergebnis (Werk) zu liefern. Der Auftragnehmer übernimmt die Verantwortung für das Ergebnis. Beim Dienstleistungsvertrag verpflichtet sich der Auftragnehmer hingegen, die für das Vorhaben benötigten Ressourcen gemäß Vertrag bereitzustellen. Hier verbleibt die Verantwortung für das Ergebnis beim Auftraggeber. In beiden Vertragsformen kann das Erbringen der vereinbarten Leistungen zum Festpreis oder nach Aufwand vereinbart werden, doch in der Praxis sind zwei Kombinationen besonders beliebt: Der Werkvertrag zum Festpreis einerseits und der Dienstleistungsvertrag nach Aufwand andererseits.
Werkvertrag zum Festpreis – die trügerische Sicherheit
Der Werkvertag zum Festpreis scheint auf den ersten Blick die für den Auftraggeber beste Lösung zu sein, delegiert er doch die Ergebnisverantwortung an den Auftragnehmer. Doch diese Sicherheit ist trügerisch: Was passiert, wenn sich herausstellt, daß das im Vertrag spezifizierte Ergebnis nur unzureichend definiert ist? In der Regel ist das heute bei größeren (=komplexen) Vorhaben auch der Fall – es gelingt derzeit nicht, das Ergebnis bis zum Vertragsabschluß so festzuschreiben, daß Vertragsänderungen die Ausnahme sind. Gute IT- Werkverträge berücksichtigen dies in der Regel bereits und legen auch fest, wie in solchen vorzugehen ist. Diese – hauptsächlich, aber nicht ausschließlich inhaltlich motivierten, das zu liefernde Ergebnis betreffenden – Vertragsänderungen werden in der IT als CR (change request – Änderungsanforderung) bezeichnet. Wenn das Ergebnis zu Vertragsbeginn nicht ausreichend beschrieben ist, dann sind CRs unvermeidlich, sofern man als Auftraggeber ein wirtschaftlich verwertbares Ergebnis haben möchte. Hat man nun sein gesamtes Budget bereits für den Werkvertrag eingesetzt, dann kann sich das schnell negativ auf die Kunde-Lieferant-Beziehung auswirken. Gerade weil die mangelnde Spezifikation des Ergebnisses Spielraum für Interpretationen läßt, sieht sich jeder der beiden vertragschließenden Seiten im Recht. Was die Kosten betrifft, so ist der Werkvertrag nach Festpreis scheinbar teurer als ein Dienstleistungsvertrag nach Aufwand, denn der Auftraggeber muß einen Risikoaufschlag dafür nehmen, daß er dem Auftraggeber die Verantwortung für das Ergebnis abnimmt. Diesen Aufschlag kann man sich als Versicherungsprämie vorstellen. Bei gut kalkulierten Risikoaufschlägen ist der tatsächliche Aufwand am Ende mal höher mal niedriger – in der Summe über mehrere Verträge ist die Summe der Risikoaufschläge bei gut kalkulierten Risikoaufschlägen gleich der Summe der tatsächlichen Aufwendungen. Der Risikoaufschlag ist also weder eine verdeckte Quelle für Gewinne noch Verhandlungsmasse für die Verkäufer beim Auftragnehmer.
Dienstvertrag nach Aufwand – die scheinbare Alternative
Der Dienstleistungsvertrag nach Aufwand beläßt die Ergebnisverantwortung beim Auftraggeber. Hier liefert der Auftragnehmer gemäß Vertrag die für das Entwicklungsvorhaben benötigten Ressourcen – in der Regel Mitarbeiter, doch auch spezielle Ausrüstung u.a. – in der vereinbarten Qualität, der festgelegten Menge und innerhalb der geforderten Zeiträume. Da die Ergebnisverantwortung beim Kunden verbleibt, haben inhaltliche Änderungen solange keine Auswirkungen auf den Vertrag, wie das Ergebnis mit den vereinbarten Ressourcen erreicht werden kann. Ist das nicht der Fall, weil z.B. mehr Datenbankspezialisten als vereinbart benötigt werden, dann müßte auch hier der Vertrag geändert werden, doch in der Praxis ist das oft nur dann notwendig, wenn sich der vereinbarte Wert der zu erbringenden Leistungen ändert, also das Ergebnis statt mit Junior-Experten nun nur noch mit Senior-Experten erreicht werden kann. Einen Risikoaufschlag gibt es hier nicht, da das Risiko beim Auftragnehmer verbleibt. Das heißt aber auch, daß die Verantwortung für die damit verbundenen Mehrkosten beim Auftraggeber verbleibt. Hat dieser bereits sein gesamtes Budget verplant, also den Risikoaufschlag beim Werkvertrag zuzüglich des Aufwandes für die Folgen inhaltlicher Änderungen an der Spezifikation des Ergebnisses nicht als Reserve einbehalten sondern ausgegeben, so hat er dasselbe Problem wie beim Werkvertrag – nur daß hier erst einmal der Auftragnehmer theoretisch außen vor ist. Praktisch wirkt sich das am Ende doch wieder auf die Kunde-Lieferant-Beziehung aus, denn es wird dann oft vermutet, daß die Qualität der Mitarbeiter nicht ausreichend ist etc. – Es menschelt halt.
Pflichtenheft, Lastenheft, Feinkonzept oder SRS – die Achillesferse des Vertrages
Besteht eine vertrauensvolle Kunde-Lieferant-Beziehung, so ist es egal, für welche Vertragsart man sich entscheidet. Der Vertrag kann juristisch noch so perfekt sein – das Problem bleibt: Mängel in der fachlichen Beschreibung des Ergebnisses zu Beginn des Vorhabens werden zum Kostentreiber im laufenden Vorhaben. Mit juristischen Mitteln können diese Mängel prinzipiell nicht behoben werden. Der Teil des Vertrages, der das zu liefernde Ergebnis fachlich definiert (egal ob Pflichtenheft, Lastenheft, Feinspezifikation oder SRS genannt), ist die Achillesferse.
Will man die unerwarteten Zusatzkosten verringern, so muß man dort ansetzen:
Ergebnisorientiertes Verarbeiten von Anforderungen.
Das Konzept des Vertrages ist auch als Vereinbarung zwischen Abteilungen innerhalb eines Unternehmens zur Gestaltung einer Kunde-Lieferant-Beziehung mit Erfolg einsetzbar und somit nicht als Mittel zum Organisieren von Erfolgen auf juristisch selbständige Einheiten beschränkt.